Aby M. Warburg - Was sind Zeit und Bewegung einer Elipse?

Das Denken und Werk des deutschen Kunsthistorikers Aby M. Warburg (1866-1929) ist in den vergangenen Jahrzehnten zum Objekt pluridisziplinärer Forschung in verschiedenen Erdteilen geworden. Das Interesse vollzieht sich dabei nicht so sehr entlang der vielen Schaffens- und Reflektionsbereiche, denen sich Warbung gewidmet hat, sondern richtet sich vor allem auf die Art und Weise, wie der deutsche Intellektuelle so originell Verknüpfungen geschaffen hat zwischen der Kunst, Geschichte und Kultur von Epochen (Klassischer Antike, Mittelalter, Renaissance, Moderne) und Zivilisationen (europäischer und altamerikanischer), die zeitlich wie räumlich weit voneinander entfernt liegen.
Von einer anthropologischen Geschichtsauffassung ausgehend, insbesondere von der Geschichte der Bilder, erfindet Warburg - im Sinne von heuriskein - Bewegung und Korrespondenzen für Formen, Gesten, kleine Details und Einzelheiten in Abbildungen, die durch sein Studium neue Bedeutung erhalten, und die wir in einem Wiederauflebungsprozess als „Nachleben“ zusammenfassen können, mit vielfältiger Bedeutung, unterwegs zwischen dem, was am weitesten entfernt liegt und dem, was uns umgibt.
Als Verfechter eines Geschichtskonzepts, das von einer Erinnerungstheorie als soziales und kollektives Projekt ausgeht, versteht und analysiert Warburg die Kunstgeschichte als Verknüpfungspunkt zwischen Diskontinuitäten; wobei er die Kunst als denjenigen Raum betrachtet, der zur gleichen Zeit Fixierung und Nichtfixierung von Bewegung ist, und von wo aus, seiner Auffassung nach, sich die Distanzbildung zwischen Künstler, Betrachter und äußerer Welt vollzieht, im Bewusstsein über diese doppelte und unaufhaltsame Bewegung und den komplementären Wissensbereichen.
Die Notwendigkeit der Sachkenntnis in den einzelnen Bereichen wuchs stetig, in dem Maße da Warburg zunehmend Forschung betrieb und Konditionen schuf, damit auch andere Forscher Verknüpfungspunkte bilden konnten. Sein Studienprojekt beschäftigte sich systematisch mit: Anthropologie, Architektur, Astrologie, Ästhetik und Kunstphilosophie, Bibliotheken und Dokumentforschung, Bild und Kommunikation, Erinnerung, Ethnologie, Geschichte, Ikonologie, Klassischer Antike, Kulturtheorie, Kulturwissenschaften, Kunstgeschichte, Mythologie, Photographie, Psychiatrie, Psychologie, Religionsgeschichte, Soziologie, Sprachphilosophie, Symbologie, Tanz.
In dem Prozess des Kunst- und Kulturvestehens nach Warburg haben wir ein verbindendes methodologisches Bild gefunden, das gleichzeitig offen ist für die Wahrnehmung der Welt und die Neugestaltung seiner Erinnerung: die Ellipse. Wir möchten die Durchführung einer Konferenz vorschlagen, mittels der es möglich wäre, die simultanen Stimmen, Mittel und Wege zusammenzuberufen, die das wissenschaftliche Projekt des deutschen Gelehrten geprägt haben: den Dialog sowohl mit seinen Zeitgenossen, wie mit denen die vor ihm waren, und die den Samen gelegt haben für die heutige Zeit.
Wir schlagen die Durchführung einer internationalen und transdisziplinären Konferenz vor, die sich dem Denken und Werk Aby M. Warburgs widmet, mit dem Titel: Was sind Zeit und Bewegung einer Ellipse?
Die Konferenz wird am 15. und 16. April 2010, gemeinschaftlich in der Faculdade de Letras da Universidade de Lisboa und in der Universidade Católica Portuguesa, stattfinden.